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Tageslichtdesign - Orientierung /OST

Updated: Nov 21, 2023

Nachdem der erste Beitrag sich der populären Südlage gewidmet hat, dreht sich dieses Mal alles um das Licht aus Osten, das Licht der aufgehenden Sonne. Hier liest du, was Licht aus Osten ausmacht, wie es unsere Räume belebt und was es bei der Planung von Räumen mit Ostausrichtung zu beachten gibt. Der Inhalt bezieht sich vorwiegend auf den Standort Schweiz mit einem voralpinen Klima, allerdings lassen sich die grundlegenden Prinzipien unter Einbezug des Standorts und des lokalen Klimas auf jeden Standort anwenden. Schließlich geht die Sonne immer im Osten auf, ganz gleich, wo auf der Welt man sich befindet.

 
Morgenstimmung Tageslicht Nebel und Sonnenstrahlen
Morgenstimmung, Photo: Ivana Cajina über Unsplash

Licht aus Osten ist das Licht der aufgehenden Sonne. Die Morgendämmerung zeichnet sich durch ein tiefblaues Licht aus, welches schnell intensiver und wärmer wird. Das direkte Licht hat bei Sonnenaufgang eine sehr warme rot orange Farbtemperatur von ca. 2000 K. Zum Mittag hin in verwandelt sich das goldig warme Morgenlicht in die gelblichweisse Mittagssonne.


Aufgrund der symmetrischen Nähe zum Horizont bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang könnte man annehmen, dass der Farbtemperaturverlauf ebenfalls gleich wahrgenommen wird. Allerdings können wir Morgenlicht und Abendlicht anhand der Farbtemperatur und der Klarheit des Lichts unterscheiden. Morgenlicht nehmen wir als kühler, leicht bläulicher und diffuser wahr, wobei das Licht der untergehenden Sonne rötlicher und wärmer erscheint. ¹ Eine Erklärung dafür könnte an der Morgenluft liegen, welche von der kühlen Nacht mehr Feuchtigkeit enthält, was wiederum das kurzwellige kühle Licht stärker streut.


Kathedrale von Rouen, Claude Monet, 1892-94. Die Bildserie mit insgesamt 33 Bildern zeigt die Kathedrale in verschiedenen Lichtsituationen. Die obere Reihe zeigen Morgenstimmungen, die untere Abendstimmungen. Quelle: Wikimedia Commons



Welche Räume profitieren besonders von östlicher Ausrichtung?


Räume die von einer östlichen Ausrichtung profitieren, sind primär Räume wo wir uns morgens aufhalten und wo wir das einfallende Sonnenlicht geniessen können. Oftmals sind wir zu dieser Zeit noch zu Hause, daher profitieren insbesondere unseren Wohnungen und Wohnhäuser von einem aufs Morgenlicht abgestimmten Grundriss. Viele Menschen mögen es mit der Sonne aufzustehen und präferieren ein Schlafzimmer, welches nach Osten ausgerichtet ist. Auch Kinderzimmer sind an einer Ostfassade gut gelegen, da das frühe Morgenlicht ihrem Biorhythmus entspricht. Weiter eignen sich auch Badezimmer, wo wir uns für den bevorstehenden Tag bereitmachen.


Küchen sind an einer östlichen Fassade ebenfalls gut positioniert und können vom angenehmen goldenen Morgenlicht profitieren. Am Morgen mit noch schwachen Sonnenstrahlen eine Tasse Kaffee zu geniessen, sei es zu Hause am Küchentisch, oder im Büro in der besonnten Teeküche, ist ein angenehmer Start in den Tag. Solche Momentaufnahmen sind als Erlebnisse in unserem oft vollgepackten Alltag wichtig und bestimmen die Qualität unserer Räume ausschlaggebend. Bedenken wir bei der Planung auch temporäre Momente, können wir viel für die Qualität und das Erlebnis unserer Umgebung tun.


Durch die versetzte Fassade gelingt es das Sonnenlicht an der langen Nordostfassade (im Bild) und Südwest Fassade einzufangen. Die vertikalen Unterteilungen dienen als Sonnenfänger und bieten gleichzeitig Privatsphäre für die einzelnen Balkone. In Skandinavien, wo das Sonnenlicht aufgrund der kurzen Tage im Winterhalbjahr, sowie dem häufig bedeckten Himmel begrenzt ist, ist eine Besonnung besonders willkommen. Green Solution House 2.0 in Rønne (DK) 55° Breitengrad by 3XN / GXN Architects, Photos: Adam Mørk



Ausserhalb unserer Wohnungsbauten bieten sich Empfangsbereiche, Cafés und Frühstücksbereiche in Hotels oder Räume des öffentlichen Verkehrs, wie z.B. Bahnhofshallen für eine Belichtung mit Morgensonne an.


Was ist bei Licht aus dem Osten zu beachten?


Die Sonne geht im Osten auf, das ist rund um die Welt gleich. Allerdings gibt es nur genau zwei Tage im Jahr, wo die Sonne exakt im Osten aufgeht. Und zwar geschieht dies an den Tagundnachtgleichen, den zwei Tagen im Jahr, wo der Tag und die Nacht gleich lang sind. Die Tagundnachtgleichen liegen um den 21. März und 23. September. Den Rest des Jahres wandert die aufgehende Sonne nördlich und südlich um den exakten Osten. Am längsten Tag des Jahres, der Sommersonnenwende um den 21. Juni, geht die Sonne in ihrer nordöstlichsten Position auf. Wenn die Tage kürzer werden, wandert die aufgehende Sonne Tag für Tag ein bisschen südlicher am Horizont. Bis sie an der Wintersonnenwende um den 21. November an ihrer südöstlichsten Position angekommen ist. Der Unterschied zwischen den beiden extremsten Sonnenpositionen bei Sonnenaufgang beträgt bei uns 72°. Das macht auf die 360° des Horizontkreises gerechnet genau 1/5 aus, ein ziemlich grosses Kuchenstück.


Sonnenstrandsdiagramm und Sonnenposition bei Sonnenaufgang. Sommersonnenwende, Wintersonnenwende und Tagundnachtgleiche
Sonnenposition am Horizont bei Sonnenaufgang an den beiden Extremen (Sommer- und Wintersonnenwende). Nur an den Tagundnachtgleichen geht die Sonne genau im Osten auf. Sonnenstandsdiagramm: andrewmarsh.com

Es ist überraschend zu sehen wie sich die Position der aufgehenden Sonne im Laufe der Jahreszeit so stark ändert. Im Winter tun wir gut daran bereits das frühmorgendliche Morgenlicht einzufangen. In Kombination mit der Wärmegewinnung, erlaubt es einem das Maximum aus dem einfallenden Sonnenlicht zu holen. In den wärmeren Monaten, insbesondere im Sommer, kann auch die Morgensonne, schnell zu einer Überhitzung der Innenräume führen. Im Sommer, wenn die Sonne früh aufgeht und über eine lange Zeit die östlichen Räume besonnt, ist ein aussenliegender Sonnenschutz unabdingbar.


Eine weitere Schwierigkeit des morgendlichen Sonnenlichts ist der tiefe Sonnenstand. Die Sonne liegt fast horizontal vor einem, die Blendung die daraus resultiert, kann extrem sein.

Am Nachmittag sind Räume mit einer östlichen Ausrichtung der Sonne abgewandt, wodurch sie düster und schattig wirken können. Um dem entgegen zu wirken hilft es den Raum mit ausreichend diffusem Tageslicht zu versorgen.



Wie schützt man sich vor der tiefstehenden Morgensonne?


Um sich vor einer tiefstehenden Sonne zu schützen werden vertikale Verschattungselemente benötigt. Da sich die Position der aufgehenden Sonne und der daraus resultierende Einfallswinkel übers Jahr stark variiert, sind an der Ost- und Westfassade vorwiegend einstellbare und mobile Verschattungselemente eine Option. Schiebeläden oder Elemente die nach oben / unten verschoben werden sind eine Lösung. Teilweise sind auch seitlich herausstehende Verschattungselement hilfreich um die seitlich einfallende Sonne abzuschatten und gleichzeitig das diffuse Tageslicht in den Raum zu lassen und eine unversperrte Aussicht zuzulassen.


Vertikale Verschattungselement, wie z.B. Storen, Rollos oder Jalousien, sind oftmals die einzige Möglichkeit zu einer Verschattung und Entblendung der tiefstehenden Sonne. Die Entblendung und Abschattung eines Senkrechtstorens ist zwar effizient, jedoch wird die Durchsicht und die damit verbundene Aussicht dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen. Abhilfe leisten semitransparente oder regulierbare Storen und Jalousien die sich dem Sonnenstand anpassen.


Ostfassade mit vertikalem flächigen Sonnenschutz. Die Holzstäbchen sind die Glaszwischenscheibe eingelassen. Somit sind sie sogleich Sonnen- sowie Blendschutz. Die   Südfassade wird unterschiedlich behandelt.
Die kurzen Ost- und Westseiten des Gebäudes erhalten einen flächigen vertikalen Sonnen- und Blendschutz. Die im Glaszwischenraum eingelegten Holzstäbchen brechen die einfallenden Sonnenstrahlen und filtern das einfallende diffuse Licht, gewähren gleichzeitig eine Durchsicht in die begrünte Umgebung. Die langen Fassaden bestehen aus einem innenliegenden Regalkonstruktion, welches durch die horizontalen «Regalböden» und die vertikalen Wangen einen einfachen Sonnenschutz bilden, das diffuse Licht jedoch grosszügig in die Räume eintreten lässt. Fachchochschule für Gestaltung Wiesbaden von MGF Architekten, Fotos: Christian Richters

Da die Sonne im Sommer und Winter in einem unterschiedlichen Winkel in die Räume einfällt, sollten fix installierte Sonnenschutzlösungen wie z.B. Lamellen, auf die Sonneneinfallswinkel abgestimmt werden. Somit kann bis zu einem bestimmten Grad, die Wintersonne reingelassen werden, während die Sommersonne abgeschattet wird. Allerdings ist hier eine vertiefte Geometrieabstimmung der Lamellen mit dem Sonnenstand der gewünschten Verschattungsperiode notwendig.



Zusammenfassung

  • Sonnenlicht aus Osten ist das Licht der aufgehenden Sonne. Es wandelt sich von einem weichen orangen Sonnenlicht zur gleissenden Mittagssonne.

  • Räume wo wir uns primär morgens aufhalten profitieren von einer morgendlichen Besonnung. Beispiele sind Schlafzimmer, Kinderzimmer, Badezimmer und Küchen. Ausserhalb unserer Siedlungsbauten bieten sich Empfangsbereiche, Cafés, Frühstücksbereich oder Räume des öffentlichen Verkehrs dafür an.

  • Ost- und Westfassaden sind einer Überhitzung am stärksten ausgesetzt. Es braucht einen aussenliegenden Sonnenschutz. Wird im Winter ein solarer Wärmeeintrag gewünscht, ist ausserdem ein innenliegender Blendschutz einzuplanen.

  • Aufgrund der tiefstehenden Sonne sind vertikale Verschattungselemente gefragt. Je nach Jahreszeit variiert die Position der aufgehenden Sonne stark. Deshalb sind die Verschattungen im Idealfall justier- und verstellbar.


Möchtest Du mehr über Tageslicht aus anderen Himmelsrichtungen erfahren? Hier gehts zu den entsprechenden Artikeln:


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Diese Serie wurde von Amelia Lee's Podcast Undercover Architect S1 Ep.2-5 inspiriert. Ich bedanke mich bei den Architekturbüros und Fotografen, welche mir die Verwendung ihrer Arbeiten als Beispielprojekte zur Verfügung gestellt haben.



Quellen

1/ Yu, C. (2023). Light and Spectra in the Wild - Spectral Structures of Light Fields: Measurement, Simulation and Visualisation. Delft University of Technology.

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