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Tageslichtdesign - Orientierung /NORD

In diesem Beitrag geht es um die nördliche Ausrichtung von Räumen und die grossen Abwesenden - die direkten Sonnenstrahlen - geben die Bühne frei für das indirekte Tageslicht. Was an bewölkten Tagen alle Ausrichtung betrifft ist bei nördlichem Licht 'business as usual': Kühles und schattenfreies, diffuses Licht. Behalte beim Lesen im Hinterkopf, dass der Inhalt sich vorwiegend auf den Standort Schweiz mit einem voralpinen Klima bezieht. Die grundlegenden Prinzipien können allerdings unter Einbezug des Standorts und des lokalen Klimas auf jeden Standort angewendet werden.

 

Nur Schatten, keine Sonne?

Nordfassaden werden mit Schatten gleichgesetzt und Räumen die die Sonne nie zu sehen bekommen. Dies trifft in unseren Breitengraden grösstenteils zu, allerdings werden bei uns auch Nordfassaden besonnt. Im Sommerhalbjahr (mit Beginn und Ende Tagundnachtgleiche) geht die Sonne nördlich vom genauen Osten bzw. Westen auf- und unter. Dies bedeutet, dass eine unverschattete Nordfassade im Sommer bis zu max. 6h am Tag besonnt wird. In Bezug auf die Tageszeit betrifft es die frühen Morgenstunden bis spätestens 9 h morgens und abends ab 17 h bis Sonnenuntergang.



Sonnenstunden für die Nordfassade einer Blockrandsiedlung in Basel (CH): Unverschattete Nordfassaden werden während den Sommermonaten in den Randstunden besonnt.
Sonnenstunden für die Nordfassade einer Blockrandsiedlung in Basel (CH): Unverschattete Nordfassaden werden während den Sommermonaten in den Randstunden besonnt.


Was macht Licht aus Norden aus?


In den Sommermonaten, wenn es die Sonne um die Gebäudeecken schafft, taucht sie Nordfassaden mit ihren ersten und letzten Sonnenstrahlen in ein warmes rötliches Sonnenlicht. Dann wechselt der Lichtcharakter plötzlich und dramatisch. Aus dem gleichmässig diffusen Licht wird direktstrahlendes Licht, welches zu einer kontrastreichen und dramatischen Lichtstimmung in Innen- und Aussenräumen führt. Aufgrund des tiefen Sonnenstandes bilden sich lange und verzerrte Schattenbilder. Die Schatten verändern sich stetig und bewegen sich schnell, manchmal ist die Szene auch schon nach wenigen Minuten wieder vorbei.


Abgesehen von diesen kurzen Auftritten der Sonne, zeichnet sich nördliches Licht durch seine Konstanz und Gleichmässigkeit aus. Dank der Abwesenheit der Sonne besteht das einfallende Nordlicht aus dem diffusen Tageslichtanteil, ein weiches, schattenarmes und kühles Licht. Da Nordlicht aufgrund des hohen indirekten Lichtanteils weniger von Wetter, Tages- oder Jahreszeit abhängig ist, hat es einen äusserst konstanten und zeitlosen Charakter und erzeugt Räume der Ruhe und Fokussierung.


Openspace Büro mit grosser Glasfront nach Norden gerichtet, um das diffuse Tageslicht einzufangen. Der Raum wird bis tief ins  Rauminnere mit einem gleichmässigen Licht beleuchtet.
Das Grossraumbüro von Foster + Partner wird über eine grosse nach Norden gerichtete Glasfront belichtet. Dank der grossen Raumhöhe und der durchgehenden Glasfront wird der Raum bis tief ins Innere gleichmässig belichtet. Erst am späteren Nachmittag wird das Büro auch besonnt. Foster+Partners in London 51° Breitengrad. Photos: Nigel Young / Foster + Partners


Welche Räume profitieren von Nordlicht?


Das weiche ungerichtete Licht wirkt ruhig und introvertiert. Diese Eigenschaften sind besonders geeignet für Räume, wo Ruhe, Konzentration und Fokus im Vordergrund stehen und wo wenig Ablenkung oder Abwechslung gewünscht ist. Beispiele hierfür sind Bibliotheken und sakrale Räume. Auch Werkstätten und Künstlerateliers werden oft mit nach Norden gerichteten Öffnungen belichtet, denn sie profitieren vom konstanten, richtungslosen und schattenarmen Tageslicht. Dasselbe gilt für Galerien und Museen, hier kommt fast ausschliesslich kühles, weiches und gleichmässiges Tageslicht zum Einsatz. Direktes Sonnenlicht hat ein höheres Schädigungspotenzial und es verhindert eine kontrollierbare und neutrale Präsentation der Exponate.


Das diffuse Tageslicht und die schwachen Sonnenstrahlen, welche die Nordfassade erreichen, haben eine niedrige Strahlungsenergie. Nördlich ausgerichtete Räume können in unseren Breitengraden also kaum solaren Wärmegewinn erzielen. Damit führen diese Räume dem Gebäude Energie stärker ab als zu. Aufgrund der niedrigeren Sonnenenergie und sind Räume wo wir uns nur gelegentlich aufhalten, wie z.B. Neben- oder Durchgangsräume an der Nordfassade gut aufgehoben. Für Räume mit hohen internen Wärmelasten wie Kantinenküchen, industriell genutzte oder Computerräume kann der niedrige solare Wärmeeintrag ein guter Ausgleich sein.

Die Kunsthalle in Malmö von Klas Anshelm wurde 1975 eröffnet. Der überhöhte Ausstellungsbereich wird über ein grosses nach Norden gerichtetes Sheddach belichtet. In den niedriegeren Bereichen wird das Tageslicht von über 500 Dachfenstern eingefangen und über Kuppeln in den Raum geleitet. Die Dachfenster sind ebenfalls nach Norden gerichtet, allerdings fangen sie durch ihren flacheren Aufstellwinkeln mehr direktes Sonnenlicht ein. Kunsthalle Malmö, 55° Breitengrad, Photos: ©Helene Toresdotter / Malmö konsthall, Screenshot Google Maps



Was ist bei der Planung von Räumen an der Nordfassade zu beachten?


Unzureichend belichtete Räume können düster wirken oder einen höhlenartigen Charakter entwickeln. Diese Gefahr besteht, wenn ein grosses Kontrastverhältnis zwischen der wahrgenommenen Helligkeit im Innenraum zum Aussenraum besteht. Um dies zu vermeiden, müssen die Räume ausreichend und gleichmässig belichtet werden. Diffuses Tageslicht ist auch für Räume an Nordfassaden zur Genüge vorhanden, eine gute Grundbeleuchtung für Arbeitsräume kann unter Berücksichtigung der Tageslichtversorgung in jedem Innenraum gewährleitet werden. Die Werkzeuge um eine gute Belichtung zu erreichen liegen in der Architektur: Die Raumgeometrie, sowie die Dimensionierung und Positionierung der Fassadenöffnungen sind zwei der wichtigsten Faktoren für die Tageslichtversorgung in Innenräumen.


Ein aussenliegender Sonnenschutz ist an Nordfassaden normalerweise nicht notwendig, anders sieht es mit dem Blendschutz aus. Aufgrund der tiefliegenden Sonne sollte ein solcher je nach Nutzung auch an Nordfassaden vorgesehen werden. Da die Sonne bei Nordfassaden einen sehr tiefen Sonnenstand hat, eignen sich vertikale Verschattungselemente, wie Storen und Jalousien. Da die Sonne seitlich in die Räume einfällt können teilweise auch vertikale Lamellen oder angewinkelte Paneele hilfreich sein.


Im Gegensatz zu den übrigen Ausrichtungen, können Räume an der Nordfassade von einer gegenüberliegenden Bebauung in Bezug auf die Tageslichtversorgung profitieren. Das Sonnenlicht kann über die Oberflächen der Fassade in die Räume reflektiert werden und so die Tageslichtausbeute erhöhen. Zu beachten ist, dass an sonnigen Tagen die Gefahr von Blendung über Reflexion des Sonnenlichts an gegenüberliegenden Fassaden besteht. Sehr helle bzw. glänzende und spiegelnde Oberflächen können starke Leuchtdichteunterschiede erzeugen oder als direktes Licht in die Räume gespiegelt werden.



Wie bringt man Sonnenlicht in einen nach Norden gerichteten Raum?


Möchte man die Lichtqualitäten des direkten Sonnenlichts trotz Nordlage nicht missen oder sind nördlich ausgerichtete Räume ganztags besetzt, dann lohnt es sich in der Entwurfsphase Massnahmen zu prüfen, um eine minimale Besonnung während den Belegungszeiten zu gewährleisten. Folgende Möglichkeiten bieten sich an, um nach Norden ausgerichtete Räume mit direktem Sonnenlicht zu versorgen:


  1. Dachfenster in diversen Ausformungen (Flach, Kuppeln, Sheddächer, etc.)

  2. Versetztes Dach und Einführung eines hochliegenden Lichtbandes

  3. Seitliches Vorstehen der nördlichen Räume und seitliches Einfangen des Südlichts

  4. Anstellen der nördlichen Fassadenöffnungen nach Ost oder West zum Einfangen von Sonnenlicht

  5. Innenhöfe oder Atrien für eine zweiseitige Belichtung und Verringerung der Gebäudetiefen.


Prinzipskizzen wie man direktes Sonnenlicht in Räume mit nördlicher Ausrichtung bringt



Zusammenfassung

  • Nördliches Tageslicht zeichnet sich durch den grossen Anteil an diffusem Tageslicht aus, einem weichen, konstantem und kontrastarmen Licht.

  • Nordfassaden erhalten in den Randzeiten der Sommermonate Sonnenlicht. Dieses kann aufgrund des tiefen Sonnnenwinkels kurzzeitig zu Blendung führen.

  • Generell profitieren Räume von Nordlicht welche ein konstantes und kontrastarmes Licht benötigen oder wo ein ruhiges und introvertiertes Raumerlebnis im Vordergrund steht. Beispiele sind: Arbeits- und Künstlerräume, Galerien, Museen oder sakrale Bauten.

  • Aufgrund des geringen solaren Wärmeeintrages, eignet sich eine Positionierung an der Nordfassade auch für Räume mit hohen internen Wärmelasten oder wo eine niedrigere Raumtemperatur vertretbar ist.

  • Um einen düsteren Raumeindruck zu vermeiden, ist eine gute Versorgung mit diffusem Tageslicht von nördlich ausgerichteten Räumen umso wichtiger. Ausschlaggebend hierfür ist die Raumgeometrie im Verhältnis zur Grösse und Lage der Fassadenöffnungen.


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Diese Serie wurde von Amelia Lee's Podcast Undercover Architect S1 Ep.2-5 inspiriert. Ich bedanke mich bei den Architekturbüros und Fotografen, welche mir die Verwendung ihrer Arbeiten als Beispielprojekte zur Verfügung gestellt haben.

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