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Tageslichtdesign - Orientierung /SÜD

Aktualisiert: 21. Nov. 2023


Die Intensität und Qualität des Tageslichts ändert sich ständig und ist abhängig von Standort, Wetter, Tages- und Jahreszeit. Diese Variabilität kann es schwierig machen, Tageslicht intuitiv und effizient in die architektonische Gestaltung zu integrieren. Ziel dieser Serie ist es, die Orientierung als Grundprinzip der Tageslichtgestaltung vorzustellen und die Lichtqualitäten der vier Himmelsrichtung zu charakterisieren. Während der Inhalt sich primär auf den Standort Schweiz mit einem voralpinen Klima bezieht, können die Prinzipien auf jeden Ort angewendet werden, wenn man den Standort, die Sonnenstände und das lokale Klima kennt.

 


Rezeption und Ansicht der Südostfassade mit horitzontalen Holzlamellen. Hôtel des Horlogiers, Le Brassus (CH), 46° Breitengrad, by BIG Architects, Photos: Maris Mezulis


Sonnenlicht aus dem Süden ist direktes Licht, ein intensives gerichtetes Licht. Südlicht kreiert Schatten mit scharfen Kanten, durch die Licht und Schattenspiele erscheint der Raum als kontrastreich und das direktive Licht modelliert Oberflächen und Objekte. Charakteristisch sind Lichtblöcke, welche beim Eintritt durch die Fassade auf die Raumoberflächen projiziert werden und sich im Verlaufe der Zeit über die Wände, Böden und Möblierung bewegen. Südliches Licht, ist ein kraftvolles Licht und kommt daher auch mit Blendung und Strahlungswärme einher.



Welche Räume profitieren von einer Ausrichtung nach Süden?


Eine Südlage ist oftmals die präferierte Ausrichtung, und es gibt gute Gründe dafür. Räume mit direkter Besonnung erscheinen dynamisch, hell und offen, sind attraktiv und fühlen sich gut an. Sonnenlicht aus Süden ist das präferierte Licht für unsere Wohnräume, überall wo wir uns über längere Zeitspannen aufhalten und wo ganztags eine erhöhte Aufenthaltsqualität gewünscht ist. Daher eignet sich eine Südausrichtung gut für Pausen- und Aufenthaltsräume. Von Räumen mit südlicher Ausrichtung können wir fast den gesamten Sonnenverlauf mitverfolgen, was uns wiederum eine stärkere Verbindung zum Aussenraum und ein Gefühl von Raum und Zeit gibt.


In Spitälern konnte eine verkürzte Aufenthaltsdauer¹ und ein geringerer Schmerzmittelverbrauch² aufgrund besserer Tageslichtverhältnisse nachgewiesen werden. Einen hohen Tageslichteintrag und eine ungehinderte Sicht nach draussen haben ganz Allgemein einen positiven Einfluss auf unsere Aufmerksamkeit, Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit. Gerade bei Patientenzimmer in Gesundheitseinrichtungen und allgemeinen Aufenthaltsbereichen von Heimen und ist also auf eine gute Belichtung mit Tageslicht und Bezug zum Aussenraum zu achten.



Sollen alle Räume nach Süden ausgerichtet werden?


Nicht wirklich, denn es gibt viele Räume wo das direktive Licht, welches harte Schatten bildet, nicht gewünscht wird. Künstlerateliers und Galerien sind Beispiele dafür. In allen Gebäuden gibt es ausserdem Räume wo das südliche Licht verschwendet wäre: Lagerräume, Garagen, Räume wo geringere Anforderungen an die Aufenthaltsqualität gestellt werden oder wo Licht gänzlich unerwünscht ist. Weiter gilt es, überall wo gelesen, geschrieben und an Bildschirmen gearbeitet wird, das direkte Sonnenlicht einzugrenzen und Blendung zu verhindern.



Was ist bei der Planung von Räumen an der Südfassade zu beachten?


Die Strahlungswärme, welche mit dem Sonnlicht in den Raum eintritt ist nicht immer gewünscht. Daher ist es wichtig Räume mit südlicher Ausrichtung in den Sommermonaten vor Überhitzung zu schützen und den Tageslichteintrag gemäss den Tages- und Jahreszeiten richtig zu dosieren. Dank der hochstehenden Sonne ist eine Abschattung an einer Südfassade relativ einfach zu bewerkstelligen.



Überkopfverschattung fangen die direkten Sonnenstrahlen ab, lassen jedoch das diffuse Tageslicht in den Raum und versperren die Aussicht nicht. Wird die Auskragung entsprechend dimensioniert, kann in den kühleren Monaten die tiefstehende Wintersonne in die Räume eindringen und aufwärmen.
Überkopfverschattung fangen die direkten Sonnenstrahlen ab, lassen jedoch das diffuse Tageslicht in den Raum und versperren die Aussicht nicht. Wird die Auskragung entsprechend dimensioniert, kann in den kühleren Monaten die tiefstehende Wintersonne in die Räume eindringen und aufwärmen. Skizze: Meta Romanens

Horizontale Verschattungselemente in Form von Dachvorsprüngen, Balkonen, auskragenden Fassadenelementen, Pergolas und andere Dachkonstruktionen schützen vor der hochstehenden Sommersonne. Überkopfverschattungen fangen die direkten Sonnenstrahlen ab, lassen jedoch das diffuse Tageslicht in den Raum eintreten und lassen eine ungehinderte Aussicht zu. Im Winter, dank einem tiefen Sonnenstand, dringen die Sonnenstrahlen tief in den Raum ein und wärmen diesen auf. In unseren Breitengraden sollte der Sturzanstellwinkel von Balkonen oder Vordächern an Südfassaden < 30° Grad gewählt werden, um eine zu starke Verschattung im Winterhalbjahr zu vermeiden.³


Der seitliche Dachausschnitt wurde so positioniert, dass die Sonne im Sommer nicht in den Innenraum gelangt, im Winter jedoch am Nachbarsgebäude vorbei die Treppe beleuchtet. House AA, Nara (J), 34° Breitengrad by Moca Architects / Kanako Momma + Shinya Furukawa, Photos: Kai Nakamura

Le Corbusier hat in den 1930 das Konzept des «brise-soleil», wörtlich der Sonnenbrecher, in der modernen Architektur bekannt gemacht: Ein statisches Verschattungselement, welches saisonal ein Fenster verschattet oder die Sonne reinlässt. Statische Verschattungselemente sind vorwiegend in den Breitengraden zwischen 25° und 50° sinnvoll. In Äquatornähe steht die Sonne üblicherweise so hoch, dass alle Fenster von einem leicht vorstehenden Sturz profitieren, in nördlicheren Breitengraden hingegen steht die Sonne oftmals so tief am Himmel, dass eine horizontale Verschattung sehr gross ausgebildet werden müsste um wirksam zu sein.⁴


Für den äusseren Sonnenschutz kommen auch temporäre Verschattungselemente in Frage. Sie sind in unseren Breitengraden von ca. April bis Oktober in Betrieb und können im Winter eingefahren werden. Ein ausfahrbares Vordach oder Knickarmstoren sind mögliche Varianten davon. Dynamische Verschattungselemente wie Jalousien oder Lamellenstoren dienen demselben Zweck wie ihre statischen Gegenstücke, allerdings sind diese vom Nutzerverhalten abhängig und haben Einfluss auf den visuellen Komfort, da sie oft auch als Blendschutz wirksam sind.


Nebst der Überhitzung ist die Blendung durch direktes Sonnenlicht einzugrenzen. Besonders in Arbeitsräumen und in Räumen wo die Position und Blickrichtung nicht frei wählbar ist, gilt es Blendung zu begrenzen. Nebst dem aussenliegenden Sonnenschutz ist ein innenliegender Blendschutz hilfreich. Somit kann im Winter ein Teil der Wärmestrahlung genutzt werden, während eine Blendung verhindert wird.


Die schwebenden Regalböden sind gleichzeitig Blendschutz für den Arbeitsplatz, die Fenstersitzbank im Hintergrund wird hingegen besonnt. Carlton Cloister, Melbourne (AUS) -38° Latitude by MRTN Architects, Photo: Shannon McGrath

Blendung ist nicht nur störend, wenn die Sonne einem direkt ins Gesicht bzw. in die Augen fällt. Auch reflektiertes Sonnenlicht auf hellen Raum- oder Tischoberflächen können zu starken Kontrasten und Blendung führen. In Büro- und Arbeitsräumen ist es deshalb wichtig, nicht nur auf die Abschattung der Arbeitsplätze zu achten, sondern für eine gleichmässige Tageslichtversorgung des erweiterten Sichtfeldes zu sorgen.

Bei südlicher Ausrichtung ist auch bei stark reflektierenden Oberflächen im Aussenraum Vorsicht geboten. Blickt man auf eine Wasserfläche oder tieferliegende Dächer, kann sich die Sonne darin reflektieren und in die Räume spiegeln.



Zusammenfassung


  • Sonnenlicht aus Süden ist ein kraftvolles und intensives Licht. Die Sonne steht hoch am Horizont, die Schatten sind kurz aber scharf gezeichnet und kontrastreich.

  • Hauptwohnbereiche, ständige Aufenthaltsbereiche und Räume die vom erlebbaren Sonnenlicht leben sind an der Südfassade richtig gelegen.

  • Gestalte Fassadenöffnungen so, dass diese das diffuse Licht reinlassen und der Ausblick eine visuelle Verbindung mit dem Aussenraum zulässt.

  • Horizontale Verschattungselemente fangen die Strahlen der hochstehenden Sonne ab. Im Idealfall sind dieso so dimensioniert, dass sie die intensive Sommersonne abschatten, die tiefstehende Wintersonne reinlassen. Ein zusätzlicher innenliegender Blendschutz schützt auch im Winter vor Blendung.


Möchtest Du mehr über die anderen Himmelsrichtungen erfahren? Hier gehts zu den entsprechenden Beiträgen:


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Diese Serie wurde von Amelia Lee's Podcast Undercover Architect S1 Ep. 2 - 5 inspiriert. Ich bedanke mich bei den Architekturbüros und Fotografen, welche mir die Verwendung ihrer Arbeiten als Beispielprojekte zur Verfügung gestellt haben.



Quellen

1/ Choi, J. H. Beltran, L., and Kim, H. (2012). Impacts of indoor daylight environments on patient average length of stay (ALOS) in a healthcare facility. Building and Environment; 50, pp. 65-75.

2/ Walch, J.M., Rabin, B.S., Day, R., Williams, J.N., Choi, K., and Kang, J.D., (2005). The effect of sunlight on postoperative analgesic medication usage: A prospective study of spinal surgery patients. Psychosomatic Medicine. 67(1). pp. 156-163.

3/ Rüedi A., Schürch P., Watter J. (2016). Solararchitektur - Häuser mit solarem Direktgewinn (1. Aufl.). Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut Energie am Bau.

4/ Reinhart C. (2020). Daylighting Handbook I – Fundamentals Designing with the Sun (2nd Edition). Building Technology Press.






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